Clemens Ottnad ← zurück
Auszüge aus der Rede zur Eröffnung der Ausstellung “ JA NATÜRLICH “
am Dezember 2009 in der Zehntscher Rottenburg am Neckar.
Konkret bezeichenbare Stadtarchitekturen, ein selber erklommenes Bergmassiv, ein vorgefundener Steinbrocken, der portraithaftes Wesen annimmt, stehen am Ursprung der Gemälde von Rudi Weiss. Von den urbanen Strukturbildungen aus Dachfeldern, mehr oder weniger monochromen Fassadenflächen und achsialer Straßenschluchten ausgehend verselbständigen sich haptische Oberflächen- und Farbqualitäten im Bild allerdings mit jeder neu aufgetragenen oder umgekehrt wieder zurückgenommenem Malschicht, die der Künstler — darin durchaus bildhauerisches Vorgehen antizipierend — mit dem Spachtel aufbringt, kratzt, schabt, wischt, also mitten im Material, mit dem Malmaterial gewissermaßen plastisch arbeitet.
In seinen dieserart geschaffenen Bildverstecken von Stadt- und von Naturlandschaft ist dem Betrachter zwingend Bewegung (Augen- wie Körperbewegung insgesamt) — also ein ständiges optisches Heran- und Wegzoomen — abverlangt. Ganz gegenstandslos, den Eindruck schierer Farbmasse, eines nur fahrigen Malgestus auf dem allover durchwirkten Bildgrund mag mancher Blickwinkel, manche Distanz zur Darstellung noch vermitteln — dann plötzlich, aus anderer Entfernung, einem neu eingenommenen Standpunkt fokussiert sich unwillkürlich Stein, Fels, Brandung und fällt im nächsten Augenblick sublim doch wieder zurück in Farbmaterie, die sich der Dingwelt wieder zur Gänze entzieht.
Und vollends verflüssigt sich Umgebungswirklichkeit in Arbeiten, die schlicht Fluss betitelt sind, sie geprägt von mannigfach multiplen Horizonten, die weiß-helle Farbenfelder — Gischt, Nebel oder Dunst, naturhaft Ahnungen jedenfalls (und doch nur wieder Farbe) — überlagern. Schicht um Schicht, zugefügt und wieder weg genommen, fließen gemacht und endlich verronnen verweisen die langwierig meditativen Prozesse dieses Farbaufbauens ingesamt auf den Faktor Zeit, die somit auf der Fläche als unhaltbar dynamischer Stillstand festgehalten ist.